Runder Tisch zu Qualität und Verlässlichkeit der Bahn in der Metropolregion
24. September 2020Der Frust, der sich über die letzten Jahren bei Bahnpendler*innen aus Lüneburg und Umgebung angestaut hat, ist groß. Das zeigten auch die Fragen aus dem Publikum bei der gestrigen Veranstaltung (23.09.), zu der die grünen Abgeordneten Julia Verlinden und Detlev Schulz-Hendel ins Kulturforum Wienebüttel eingeladen hatten. Ziel war, diejenigen, die eine wesentliche Rolle bei der Organisation des Regionalverkehres rund um Lüneburg spielen, an einen Tisch mit den Pendler*innen zu bekommen, die fast täglich unter Verspätungen und Zugausfällen leiden.
Stefan Kindermann, Vorsitzender des Fahrgastverbandes Harburg, hob vor allem die Bedeutung der Verlässlichkeit der Bahn für Wegeketten und Anschlussverbindungen hervor. Außerdem kritisierte er die desolate Schieneninfrastruktur in Deutschland, in die im Vergleich zu anderen Industrienationen hierzulande deutlich weniger Geld gesteckt wird. Für ihn war klar, dass nur ein viergleisiger Ausbau in der Region das Schienen-netz langfristig leistungsfähig mache.
Torsten Frahm, Geschäftsführer der Metronom Eisenbahngesellschaft, erklärte, dass die Metronom an den meisten Problemen, für die sie angegangen und auch beschuldigt würde, gar nichts könne. Frahm mahnte sowohl einen Masterplan für die Zukunft des Schienen-Personen-Nahverkehr (SPNV) in Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein an, als auch kurzfristige Maßnahmen, wie etwa zusätzliche Weichen- und Signalanlagen, die schon innerhalb weniger Jahr die Zuverlässigkeit verbessern könnten. Er kritisierte, dass in den letzten 30 Jahren mehrere zehntausend Kilometer Autobahn gebaut wurden, aber nicht einmal 2000km Schienenwege. Nicht nur er kritisierte, dass das aktuelle Wartungssystem der Metronom-Züge extrem ineffizient sei. Aktuell sei für Wartungen und Reparaturen die Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) bzw. das von ihr beauftragte Unternehmen Bombardier, zuständig und nicht das betreibende Eisenbahnverkehrsunternehmen. Diejenigen, die die Züge fahren und die Probleme kennen, hätten dagegen kaum Hand-habe, Wartung und Reparatur bedarfsgemäß zu organisieren und auch zu beschleunigen. Das führe dazu, dass Störungen und Defekte für einen vermeidbar langen Zeitraum zu Behinderungen im Ablauf des Nahver-kehrs führen.
Cay Lienau, der die Deutsche Bahn AG auf dem Podium vertrat, versuchte für Verständnis bezüglich der Prioritätensetzung beim Netzausbau seitens der deutschen Bahn zu werben. Er machte klar, dass die Deut-sche Bahn unter Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit arbeiten müsse. Konkreter machte er klar, dass jetzt ersteinmal gesehen werden müsse, wie es mit dem Bahnprojekt Alpha-E / Bahnprojekt Hamburg/Bremen weitergehe. Auf die Frage, weshalb Fernverkehrszüge nicht Pendler*innen verspäteter Regionalzüge auf-nehmen könnten, antwortete er, dies habe mit Wettbewerbsgründen und Geschäftsmodellen zu tun.
Hartmut Petersen, Vorsitzender der Gewerkschaft deutscher Lokführer in Norddeutschland, hob zunächst lobend hervor, dass überhaupt auch Beschäftigtenvertreter zur Diskussion eingeladen worden sein, würden diese doch oft vergessen. Er betonte, dass auch Lokführer*innen nur Menschen seien und dass bei allem Unmut über Verspätungen auch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten nicht außen vor gelassen werden dürften. Im Hinblick auf Netzausbau, Wettbewerb und Wirtschaftlichkeitsprobleme brach er eine Lanze für ein Schienennetz und eine Bahnstruktur, die Schluss machten mit Gewinnorientierung.
Zum Ende der Veranstaltung resümierten Julia Verlinden und Detlev-Schulz-Hendel die Aufgaben, die Bund und Land nun haben, um den Regionalverkehr zuverlässiger zu machen: Es brauche ein Ende der autofokussierten Verkehrspolitik und endlich massive Investitionen in das deutsche Bahnnetz, wobei nicht Prestige-Projekte im Fernverkehr im Vordergrund stehen dürfen, sondern vor allem Projekte zur Stärkung der Strecken, über die Menschen jeden Tag pendeln. Das Land sei gefordert, in Ausschreibungen die Kostenfokussierung zu beenden und stattdessen Qualitätsmerkmale im Sinne von Zuverlässigkeit stärker zu gewichten. Auch die aktuelle Wartungsstruktur zeige sich zu ineffizient, hier müsse einerseits das Konzept des landeseigenen Fahrzeugpools und andererseits die Zuständigkeit der Betreiber selbst für die Wartung überdacht werden.