Mehr Spielraum für Kommunen bei Feuerwerk

24. Oktober 2023
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Jedes Jahr verbindet Silvester zahlreiche Menschen zu einem festlichen Jahresabschluss, oft begleitet durch das bunte Farbenspiel der Silvesterraketen und Böllern. Gleichzeitig kam es in den vergangenen Jahren wiederholt zu Missbrauch von Feuerwerk und Angriffen auf Polizei- und Rettungskräfte. Klar ist: Silvesterfeuerwerk bringt nicht nur eine bunte Farbenpracht, sondern birgt eine Reihe an Gefahren und Belastungen für Menschen, Tiere und Umwelt. Zunehmender Lärm, Unfälle, Feinstaub und Übergriffe mit Silvesterfeuerwerk haben das Bewusstsein für die problematischen Aspekte des Feuerwerks wachsen lassen und Forderungen nach einer strengeren Regulierung und mehr Handlungsmöglichkeiten für Kommunen angestoßen.

Vor diesem Hintergrund fordern zahlreiche Kommunen, private Feuerwerke künftig stärker einschränken zu können. Auch der Naturschutzbund Deutschland1 und die Gewerkschaft der Polizei fordern stärkere Einschränkungen beim Abbrennen von Feuerwerken. Auch eine deutliche Mehrheit der Menschen in Deutschland spricht sich für die Schaffung rechtlicher Möglichkeiten zur temporären Ausweisung von Verbotszonen in den Kommunen aus. Allerdings sind die rechtlichen Möglichkeiten der Kommunen derzeit durchaus begrenzt und teilweise sehr unsicher.

In Anlehnung an unseren Fraktionsantrag aus dem Jahr 2020 schlagen wir daher vor, den Kommunen die Möglichkeit zu geben, rechtssicher über die Ausweisung von Verbotszonen und Beschränkungen des privaten Feuerwerks entscheiden zu dürfen. Dazu muss zunächst das Bundesinnenministerium eine Änderung der Sprengstoffverordnung (SprengV) auf den Weg bringen, damit den Bundesländern und Kommunen bereits zum kommenden Jahreswechsel ein rechtssicherer Handlungsspielraum eingeräumt wird.

Bisher gibt § 24 der Sprengstoffverordnung den Kommunen nur die Möglichkeit, privates Feuerwerk an Silvester in der Nähe von Gebäuden oder Anlagen, die besonders brandempfindlich sind, zu untersagen. Gleiches gilt für Feuerwerk mit „ausschließlicher Knallwirkung“ in dicht besiedelten Gemeinden oder Teilen von Gemeinden. Es ist daher heute kaum möglich, rechtssicher und gerichtsfest allgemeine Verbotszonen für privates Feuerwerk auszuweisen. Um dies zu gewährleisten, schlagen wir folgende Neufassung von § 24 Abs. 2 1. SprengV vor:
„Die zuständige Behörde kann allgemein oder im Einzelfall anordnen, dass pyrotechnische
Gegenstände der Kategorie F2
1. in der Nähe von Gebäuden oder Anlagen oder
2. in bestimmten Gemeinden oder Teilen von Gemeinden zu bestimmten Zeiten und auch am
31. Dezember und am 1. Januar nicht abgebrannt werden dürfen.“

Mit einer Änderung des § 24 Abs. 2 1. SprengV wird den Kommunen die Möglichkeit eröffnet, unter Berücksichtigung der jeweiligen regionalen Gegebenheiten mit unterschiedlichen Maßnahmen passgenau und rechtssicher das private Silvesterfeuerwerk vor Ort zu regeln. Orte, an denen besonders hohe Belastungen auftreten, können zukünftig so ausgewiesen und besser (zum Beispiel durch den Erlass von Allgemeinverfügungen) geschützt werden. Zudem wird den Ordnungsbehörden und der Polizei die Möglichkeit eröffnet, Verstöße zu erkennen, wirksam gegen sie vorzugehen und sie zu ahnden.

Hintergrund
Alle kennen den Anblick der Städte nach der großen Sause: Auf den Bürgersteigen sammeln sich enorme Mengen an Müll als Überbleibsel der Knallerei. Allein in den fünf größten deutschen Städten (Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt am Main) entfernten die kommunalen Entsorger an bestimmten Hotspots am Neujahrstag rund 200 Tonnen Silvesterabfall. Dabei handelt es sich jedoch nur um einen kleinen Teil des in den Städten insgesamt angefallenen Silvestermülls.

Besonders gravierend sind auch die Auswirkungen auf die Luftqualität in Ballungsräumen und in den Innenstädten. Laut Umweltbundesamt werden jährlich rund 2.050 Tonnen Feinstaub (PM10) durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern freigesetzt, der größte Teil davon in der Silvesternacht. Diese Menge entspricht in etwa einem Prozent der gesamt freigesetzten Feinstaubmenge in Deutschland pro Jahr. Das Einatmen von Feinstaub gefährdet die menschliche Gesundheit – und zwar bei kurzfristig hoher wie auch bei langfristig erhöhter Belastung. Die Wirkungen reichen von vorübergehenden Beeinträchtigungen der Atemwege über einen erhöhten Medikamentenbedarf bei Asthmatikern bis zu vermehrten Krankenhausaufnahmen wegen Atemwegserkrankungen und HerzKreislauf-Problemen sowie einer Zunahme der Sterblichkeit.

Die zum Teil erhebliche Sprengwirkung der Feuerwerkskörper stellt darüber hinaus eine große Gefahr für feiernde Menschen dar. Ein an Silvester nicht unerheblicher Alkoholkonsum steigert diese Gefahren zusätzlich. Todesfälle, Hörschäden, Verbrennungen und schwere Verletzungen der Extremitäten sind keine Seltenheit. Die Silvesternacht führt vielerorts zu einer deutlichen Überlastung der Notfallversorgungskapazitäten. Um Verletzungen zu reduzieren und die Notfallversorgung deutlich zu entlasten, brauchen Kommunen einen rechtssicheren kommunalen Handlungsspielraum, um das Abbrennen von Silvesterfeuerwerk auch einschränken zu können.

Darüber hinaus stellen Angriffe auf Polizei- und Rettungskräfte mit Raketen und Böllern immer wieder ein Problem in den Silvesternächten dar.11 In der Bundesrepublik sind 95 % der Feuerwehrleute ehrenamtlich engagiert: während andere vergnügt ins neue Jahr starten, rücken sie aus. Doch bleibt es selten nur bei brennenden Mülleimern: immer wieder sind Angriffe auf sie Teil der Einsätze.

Dabei wissen Feuerwehrleute und die örtliche Polizei oft am besten, an welchen Orten schwierige Brandschutzsituationen oder Gruppendynamiken auftreten können. Ihr Know-how vor Ort konkret in die Planung der Neujahrsnacht einzubinden, könnte einige Probleme bereits im Voraus entschärfen.

Die Städte und Gemeinden kennen die Bedürfnisse ihrer Bürger*innen gut. Deswegen sollte die Kommunalpolitik gemeinsam mit den Bürger*innen vor Ort entscheiden, wie ein gutes, friedliches
und möglichst umweltverträgliches Neujahrsfest für alle aussehen sollte.

Auch die Auswirkungen auf die Tierwelt sind zum Teil beträchtlich. Jede*r, der/die ein Haustier besitzt, weiß, dass die Freude an Feuerwerken nicht unbedingt von Hund, Katze und Co. geteilt wird. Die meisten Haustiere reagieren verängstigt, ziehen sich zurück und/oder müssen permanent beruhigt werden. Zudem steigt die Zahl der entlaufenden Haustiere und Nutztiere rund um die Silvesternacht. Andere Haus-, Wild– und Nutztiere fliehen verängstigt vor den Feuerwerkskörpern. Vermehrt wird um die Silvesternacht von Verkehrsunfällen mit Pferden oder Rindern berichtet, bei denen Menschen verletzt und Tiere zu Tode gekommen sind. Auch Zootiere, die Besucher*innenverkehr und urbane Störfaktoren gewohnt sind, zeigen Verhaltensänderungen.

Autor*innen
Marcel Emmerich, Obmann im Innenausschuss
Prof. Dr. Armin Grau, Mitglied im Gesundheitsausschuss
Dr. Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender
Dr. Julia Verlinden, stellvertretende Fraktionsvorsitzende

Hier gibt es das gesamte Papier als Download.