Diskussion: Fracking und Erdgasförderung – welche Regeln brauchen wir?
29. Mai 2015Mitten im Erdgasfördergebiet in Völkersen hatten die Verdener Grünen in den Landgasthof Grashoff’s zur Diskussion über die Erdgasförderung und Fracking geladen. Johanna König vom Kreisvorstand Bündnis 90/Die Grünen Verden betonte in ihrer Begrüßung: „Niedersachsen ist besonders durch die geplante Gesetzgebung zum Fracking betroffen. Hier finden 95 Prozent der Erdgasförderung in Deutschland statt.“
Eingangs stellte Julia Verlinden, Sprecherin für Energiepolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen den aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens zum Fracking auf Bundesebene dar. „Das von der Bundesregierung geplante Regelungspaket ist kein Verbotsgesetz, sondern würde Fracking in vielen Gebieten gesetzlich ermöglichen“, sagte sie. Zwar habe der Bundesrat viele Verschärfungen des Gesetzespaketes eingefordert, doch könnten die Bundesländer letztlich nur wenig Einfluss auf das Verfahren nehmen, da es sich bei den Regelungen nicht um zustimmungspflichtige Gesetze handele.
Grüne fordern Verschärfung
Es komme daher nun darauf an, was im Bundestag geschehe. „Wir Grüne fordern die Fracking-Gegner in den Bundestagsfraktionen von Union und SPD auf, sich gemeinsam mit uns für ein echtes Fracking-Verbot sowie schärfere Umweltstandards für die Erdgas- und Erdölförderung insgesamt einzusetzen“, erklärte Verlinden. Nur wenn auch von den Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD Änderungen eingefordert würden, könne es noch zu Verschärfungen in den gesetzlichen Regelungen kommen.
Heinz Oberlach, Sprecher des Unternehmens Deutsche Erdöl AG (DEA), einer international tätigen Explorations- und Produktionsgesellschaft für Erdgas und Erdöl, erläuterte, dass sein Unternehmen sehr froh wäre, wenn durch das Gesetzespaket Rechtssicherheit hergestellt werde. Derzeit bestehe Unsicherheit über die zukünftige Regulierung und damit auch hohe Unsicherheit für Investitionen und Projektplanungen.
Förderunternehmen wollen Rechtssicherheit
Wenn das vorliegende Gesetzespaket verabschiedet werde, werde die DEA bei jedem Förderstandort individuell untersuchen und entscheiden, mit welcher Technik Erdgas gefördert werden könne. Nicht immer würde automatisch Fracking zum Einsatz kommen. Für die DEA ausschließen könne Oberlach das Schiefergas-Fracking, weil das Unternehmen entsprechende Standorte gar nicht besitze. Er wünsche sich eine sachlichere Debatte, die auch die Grauzonen wahrnehme und nicht nur schwarz-weiß zeichne.
„Was würden die Bürgerinitiativen der Bundesumweltministerin Hendricks raten, die im Parlament um Vorschläge zur Verbesserung des Fracking-Regelungspakets gebeten hatte?“, fragte Peter Meiwald, Sprecher für Umweltpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, der die Diskussion moderierte. Gero Landzettel von der BI Langwedel gegen Gasbohren stellte infrage, ob man Fracking überhaupt brauche, wenn man doch eigentlich die Energiewende wolle. Darüber hinaus betonte er, dass viele Probleme im Raum Völkersen lange vor dem Fracking auftreten, da sie auch die Erdgasförderung ohne Fracking betreffen. Lagerstättenwasser und Bergschäden seien die zentralen Probleme für die Region Verden.
In der anschließenden Diskussion standen neben einzelnen Aspekten des Gesetzgebungspakets wie die geplante Expertenkommission, die 3000-Meter-Grenze oder die Einflussmöglichkeiten des Bundesrates vor allem die Themen Bergschäden, Umgang mit Lagerstättenwasser und die energiepolitische Bedeutung des Frackings im Mittelpunkt.
Betroffene und Initiativen warnen vor Umweltfolgen
Laut einer Studie der DEA wäre die Verpressung des Lagerstättenwassers in die ausgeförderten Horizonte der ökologisch beste Weg, es zu entsorgen – aber auch ein teurer. Gero Landzettel bezweifelte, dass die Studie einer kritischen wissenschaftlicher Überprüfung standhalten könne. Er wies darauf hin, dass über die Spätfolgen der Verpressung des Lagerstättenwassers wenig bekannt sei. Würde dabei etwas schief gehen, könnte man in tausenden Metern Tiefe kaum etwas gegen mögliche Schäden unternehmen. Landzettel würde sich wünschen, dass unabhängige Studien zur Entsorgung von Lagerstättenwasser angefertigt würden, die auch die Risiken in den Blick nehmen.
Das Vertrauen in die Erdgas-Unternehmen vor Ort ist durch verschiedene Vorkommnisse wie den Austritt von Lagerstättenwasser 2011 erschüttert. Heinz Oberlach von der DEA räumte ein, dass in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden. Zwar könne man nicht ausschließen, dass seismische Ereignisse die Bohrlochintegrität schädigen. Dennoch bezweifele er, dass Lagerstättenwasser bei Schäden am Bohrloch nutzbare, grundwasserführende Schichten kontaminieren könne.
Zu den Bergschäden meinte Oberlach, dass die Probleme bei den Messungen von seismischen Ereignissen dazu geführt hätten, dass Bergschäden nicht so einfach nachweisbar gewesen seien. Das Messnetz sei jedoch deutlich verbessert worden und die Messergebnisse seien nun für alle transparent im Internet einsehbar. Die in Rotenburg eingerichtete Schiedsstelle sei seiner Meinung nach der beste Weg, um Schadensfälle zu klären.
Dem widersprach Gero Landzettel von der BI Langwedel. Er sprach sich dafür aus, dass juristisch festgelegt werden solle, dass grundsätzlich immer derjenige zahlen solle, der im Verdacht stehe, den Schaden verursacht zu haben. Landzettel äußerte jedoch Zweifel, ob die geplante Beweislastumkehr funktioniere, da lediglich die Regeln des untertägigen Bergbaus auf die Erdgasförderung übertragen würden. Julia Verlinden und Peter Meiwald wiesen in diesem Zusammenhang auf den grundsätzlichen Reformbedarf des veralteten Bergrechts hin.
Fracking torpediert Energiewende
In der Diskussion mit dem Publikum wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass Schiefergasfracking ganz andere Dimensionen annehmen würde als die bisher bekannte Erdgasförderung. Es seien wesentlich mehr Frac-Bohrungen notwendig als bisher. Diese würden mit hohem Wasserverbrauch einhergehen und erhebliche Gefahren für die Umwelt bedeuten, insbesondere für Böden und Gewässer. Auch die Probleme vor Ort mit dem Lagerstättenwasser und die Rolle der niedersächsischen Landesregierung in der Fracking-Debatte wurden mehrfach angesprochen.
Julia Verlinden betonte, dass Fracking eine Verlängerung des fossilen Zeitalters bedeuten würde und damit die Energiewende und den Klimaschutz torpediere. „Außerdem haben sich zwei Drittel der Menschen in einer Umfrage von infratest dimap für ein Fracking-Verbot ausgesprochen“, erinnerte Verlinden. Auch ein breites gesellschaftliches Bündnis von Unternehmen über Gewerkschaften hin zu Umweltverbänden spreche sich gegen Fracking aus. Aus ihrer Sicht sei die Bundesregierung vor der Erdgaslobby eingeknickt. Verlinden forderte von Regierung wie Unternehmen: „Forschungsziele, politische Strategien und Investitionsentscheidungen sollten auf Erneuerbare Energien, Speichertechnologien und Effizienzmaßnahmen ausgerichtet werden und nicht auf eine Technik wie Fracking, die riskant ist und klimapolitisch schadet.“
Peter Meiwald beendete die Veranstaltung mit einem Aufruf: „Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht vorbei. Am Ende des Tages kommt es darauf an, wie die einzelnen Abgeordneten im Bundestag abstimmen. Bringen Sie sich ein und fragen Sie Ihre Abgeordneten vor Ort, wie sie abstimmen werden!“
Die Bundestagsabgeordneten Peter Meiwald und Julia Verlinden besuchten die Podiumsdiskussion in Völkersen im Rahmen einer zweitägigen Tour durch Niedersachsen, auf der sie sich vor Ort über Auswirkungen der Erdgasförderung informierten und über die aktuellen Pläne der Bundesregierung zum Fracking-Regelungspaket mit Betroffenen und Unternehmen diskutierten.