Windenergie im Wald: Ergebnisse des Energiedialogs in Dannenberg

19. Mai 2014
Bundestagskuppel Vogelperspektive
©Claudio Schwarz/unsplash

Das Regionalbüro von Dr. Julia Verlinden in Dannenberg geriet an seine räumlichen Grenzen, als dort über das Thema Windkraftanlagen im Wald diskutiert wurde – so gut war die Veranstaltung besucht. Anlass für den Energiedialog war die aktuelle Situation in Lüchow-Dannenberg, wonach wohl kaum noch neue Windvorrangflächen im Offenland ausgewiesen werden können, wie der Kreissprecher der Grünen Andreas Kelm berichtete. Daher soll nach dem Willen des Kreistages in den Wald ausgewichen werden, wobei es sich um vorbelastete Flächen handelt, betonte Kelm. Als Referenten waren die Doktorandin Nataly Jürges von der Leuphana Universität Lüneburg und Günter Ratzbor, Umweltgutachter aus Hannover, geladen.

Jürges, die ihre Doktorarbeit zum Thema „Windkraftanlagen im Wald“ schreibt und dafür über 70 Akteure interviewt hat, konnte von den Erfahrungen aus Bundesländern berichten, in denen bereits Windkraftanlagen im Wald gebaut wurden. Systematisch hat sie die Vor- und Nachteile untersucht und dabei die Frage aufgeworfen, wer denn überhaupt über die Standorte entscheiden sollte. Sie stellte diese Frage auch dem Publikum und erfuhr, dass sich die große Mehrheit wünscht, dass eine Entscheidung über Windkraftanlagen im Wald vorwiegend auf kommunaler Ebene getroffen werden sollte.

Zurzeit ist es so, dass in etwas mehr als der Hälfte der Bundesländer Windkraftanlagen im Wald errichtet werden dürfen, in den anderen nicht. Zu diesen gehört zurzeit auch Niedersachsen. Die Begründung dafür lautet, Niedersachsen sei mit knapp 25% Waldanteil ein waldarmes Land und somit stünden genügend andere Standorte zur Verfügung. Dabei wird allerdings nicht berücksichtigt, dass Niedersachsen wegen seiner Größe bei der absoluten Waldfläche an dritter Stelle steht und der Waldanteil in Ostniedersachsen 40% beträgt.

Am Beispiel von Rheinland-Pfalz konnte Jürges verdeutlichen, dass sich auch Bürgerinitiativen gegen Windkraftanlagen im Wald richten, vorwiegend weil sie Bedenken aus Sicht des Natur- und Artenschutzes haben. In Rheinland-Pfalz ist die Entscheidung über Windkraft auf die kommunale Ebene verlagert. Naturschutzverbände und Bürgerinitiativen kritisieren, dass aufgrund dieser kommunalen Zuständigkeit naturschutzfachliche Bedenken zu häufig zu Gunsten wirtschaftlicher Interessen nicht ausreichend nachgegangen werde.

Auf die ganz speziellen Beeinträchtigungen von Fledermäusen, Rotmilanen und Schwarzstörchen ging im Anschluss Günter Ratzbor ein. Als Naturschutzexperte und Umweltgutachter hat er seit 20 Jahren die Auswirkungen von Windanlagen auf Vögel und Säugetiere genauestens untersucht. Im Auftrag des Deutschen Naturschutzringes hat er eine Broschüre zur „Umwelt- und naturverträglichen Nutzung der Windenergie an Land“ geschrieben, um damit einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion zu leisten.

Auch Ratzbor unterscheidet in natürliche Wälder, die etwa 5% der Waldfläche ausmachen, naturnahe Wälder und andere Wälder, die teilweise aufgrund ihrer homogenen Struktur relativ artenarm sein können. Seine zentrale Frage ist: Hat das Projekt Auswirkungen auf die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes, auf die klimaökologische Bedeutung oder die biologische Vielfalt? Am Beispiel des vor wenigen Jahrzehnten fast ausgestorbenen Schwarzstorches konnte Ratzbor darlegen, dass die Befürchtung, der Schwarzstorch als eine der bedrohten Vogelarten werde durch Windkraftanlagen empfindlich gestört, nicht stimmt. In einem Fall hätten sich Schwarzstörche in der Nähe von Windkraftanlagen angesiedelt und dort prächtig vermehrt, ohne sich von den Anlagen stören zu lassen. Dass es jetzt in Deutschland wieder bis zu 560 Schwarzstörche gebe, sei vorrangig ein Erfolg von Naturschutzbemühungen, u.a. mit Fluss- und Bachrenaturierungen, an denen er mitgewirkt habe.

Die tatsächlich vorhandene Beeinträchtigung von Fledermäusen, die durch den Unterdruck der rotierenden Flügel zu Tode kommen können, müsse durch gründliche Untersuchungen bei der Standortauswahl vermieden werden. Besonders betroffen sind der Große Abendsegler, Rauhautfledermaus und Zwergfledermaus. Räume mit hoher Fledermausaktivität sollten deshalb gemieden werden. Wobei festzustellen sei, dass Fledermäuse vorwiegend im Waldrandbereich jagen. Fazit des Referenten: Windanlagen im Wald sind häufig wesentlich weniger sichtbar und weiter weg von Siedlungsbereichen. Die Beeinträchtigung des Naturhaushaltes ist oftmals geringer als bei Offenland-Standorten. Eine gründliche Untersuchung sollte in jedem Fall erfolgen.

Fried Graf von Bernstorff, um dessen Windprojekt im Gorleben-Trebeler Forst es in der Diskussion hauptsächlich ging, betonte, dass seine Familie sich seit Generationen um einen ökologischen Waldumbau bemühe. Das Windprojekt stelle für ihn eine gute Möglichkeit dar, den Waldumbau voranzubringen und damit artenarme Kiefernmonokultur in diesem Bereich in einen wertvolleren Mischwald umzubauen. Darüber hinaus sei es für ihn selbstverständlich, dass bei diesem Projekt eine größtmögliche Bürgerbeteiligung ermöglicht werde. Außerdem handele es sich bei dieser Waldbrandfläche um eine vorgeschädigte Fläche, die direkt neben den Atomanlagen auch Symbolwert besitze. Auch Dieter Maurischat, Bürgermeisterkandidat in Gartow, schlug in die gleiche Kerbe. Das Windprojekt könne für die Samtgemeinde ein neues wirtschaftliches Standbein bedeuten und sie aus ihrer einseitigen Abhängigkeit befreien. Die zu erwartenden Steuereinnahmen wären nicht unbedeutend.

Schon bei ihren einführenden Worten hatte Julia Verlinden darauf verwiesen, dass es einer sachlichen Debatte nützt, wenn die verschiedenen Waldformen hinsichtlich ihrer Windenergienutzung differenziert betrachtet werden. In einem von Dr. Anton Hofreiter, dem Vorsitzenden der Grünen-Bundestagsfraktion, mit veröffentlichten Papier „Windenergie und Naturschutz – ein lösbarer Konflikt“ heißt es zu diesem Thema: „Der Wald in Deutschland ist allerdings vielerorts von artenarmen und gleichförmigen Nadelholzmonokulturen geprägt. Diese Forste – und nicht nur naturnahe und artenreiche Waldgebiete – pauschal von der Nutzung der Windenergie ausschließen zu wollen, ist mit Naturschutzargumenten nicht zu rechtfertigen.“ Und: „Die Pauschalforderung ‚Keine Windanlagen in Schutzgebieten aller Kategorien‘ ist nicht zielführend.“

Nicht alle Fragen aus dem Publikum konnten für die Fragenden befriedigend beantwortet werden. Hier waren Artenschutz-Bedenken das Hauptthema. Aber auch die Frage spielte eine Rolle, ob so ein Projekt mit Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten und Vorteilen für die Menschen verbunden sein kann, die kein Vermögen in eine Bürgerbetreibergesellschaft einbringen können. Julia Verlinden zeigte sich zum Abschluss sehr zufrieden mit den interessanten Vorträgen und dem offenen und kritischen Austausch mit dem Publikum. Sie erinnerte daran, dass an der Realisierung der Energiewende immer verschiedene politische Ebenen beteiligt seien: Die Kommunen und die Region, die eigene Projekte in Angriff nehmen, das Land, dass raumordnerische und planerische Rahmenbedingungen setzt und der Bund, wo derzeit das EEG verhandelt wird. Die aktuellen Pläne von Minister Gabriel zum EEG würden die Hürden für Bürgerenergieprojekte deutlich erhöhen sowie deren Finanzierbarkeit in Frage stellen, kritisierte Verlinden und warf Gabriel vor, die Energiewende auszubremsen.

Text: Dörte Themann