Zahlreiche Akteure aus Umweltverbänden, Wissenschaft, VertreterInnen des AStA der Leuphana Universität, Bürgerinitiativen und kommunalpolitisch Aktive sind der Einladung von Julia Verlinden zu ihrem ersten umweltpolitischen Empfang gefolgt. Um die Gelegenheit zum gegenseitigen Austausch zu nutzen und natürlich um dem Gastvortrag von Dr. Hermann Ott zum aktuellen Stand der internationalen Klimaverhandlungen zu lauschen und gemeinsam über bisherige (Miss-)Erfolge, neue Herausforderungen und Strategien zu diskutieren.
In Hinblick auf die Klimakonferenz im Dezember in Paris sei er skeptisch, so Hermann Ott, der von 2009 bis 2013 klimapolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion war und für das Wuppertal Institut im Dezember 2014 die Klimakonferenz in Lima begleitet hat.
Rückblickend stelle sich für ihn das Kyoto-Protokoll als ein außergewöhnliches Instrument heraus, weil es eine freiwillige Vereinbarung aller Mitgliedsstaaten der UNO gewesen sei, um die Emissionen zwischen 1990 und 2012 im Durchschnitt um 5% zu reduzieren. Ein in dieser Form einmaliges Protokoll. Allerdings blieben viele Staaten, die dem Protokoll zugestimmt hatten, ihre Reduktionsverpflichtung schuldig. Allein die Europäer hätten mit insgesamt 17% CO2-Reduktion ihr damaliges Soll übererfüllt, nun müssen neue ambitionierte Ziele politisch unterlegt werden.
Es gäbe keine Entwarnung beim Klimawandel, blickte Hermann Ott in Zukunft. Wenn man sagen würde, dass die Temperatur bis zum Jahr 2100 um 4 Grad steigt, hieße es nicht, dass es danach aufhören würde. Vielmehr würden wir, wenn wir nichts verändern, auf eine noch viel stärker erwärmte Zukunft zusteuern, nur könne die Wissenschaft dafür noch keine Prognose abgegeben.
Den Grund für die schleppenden Klimaverhandlungen und warum diese immer wieder scheitern bzw. hinter den Erwartungen zurück bleiben würden, sieht Ott im Konsensprinzip. Zu viele unterschiedliche Interessen würden einer erfolgreichen Klimapolitik im Weg stehen. Angesichts dieser Realitäten und der Dringlichkeit des wirksamen Klimaschutzes bestehe ein Bedarf an neuen Formen der Kooperation zwischen Staaten, wie z. B. Klimaclubs – einer kleinen Gruppe von Vorreiterstaaten, zwischen denen sich eher ein Konsens herstellen ließe als zwischen allen derzeit 196 Mitgliedsstaaten des Klimaregimes.
Der Klimawandel oder besser: die Klimakrise, sei ein Thema, dass man – auch unter Umweltbewegten und Grünen – immer wieder diskutieren müsse. Die Menschen müssten gut informiert werden, denn einzelne sogenannte Klimaskeptiker würden mit ihrer wissenschaftlich nicht tragfähigen Argumentation die Menschen verunsichern, so Ott vor den 30 interessierten ZuhörerInnen.
Ott selbst bezeichnete sich aufgrund seines Engagements gegen den Klimawandel nicht als Umweltschützer, sondern viel mehr als Menschenschützer. Denn die Umwelt würde sich im Zweifel selbst helfen können. Aber ob die Menschen mit den Auswirkungen der Klimakatastophe umgehen könnten, das sei vielmehr die Frage. Schließlich würden vor allem die armen Länder und Menschen darunter leiden, die Reichen würden damit rechnen, rechtzeitig die Deiche zu erhöhen und andere Maßnahmen zu ergreifen.
Neben dem wichtigen umweltpolitischen Engagement der Verbände und Initiativen vor Ort – getreu dem Motto „global denken, lokal handeln“, könne auch jeder Einzelne etwas für den Klimaschutz tun, indem die drei Fs beachtet werden, so Hermann Ott: nicht fliegen, wenig Auto fahren und selten Fleisch essen. Wir müssten insgesamt zu einem anderen Umgang mit der Erde kommen und dazu gehöre unausweichlich auch die Neugestaltung des Wirtschaftssystems . Denn unsere Art des Wirtschaftens sei der Stoffwechsel mit der Erde.
Nach dem Vortrag und der Diskussion nutzten viele der Aktiven noch die Gelegenheit, sich bei Getränken und Snacks über aktuelle Projekte auszutauschen, Termine zu verabreden und so manch neuen Kontakt zu knüpfen.