Raus aus dem Gas – rein in die Energieunabhängigkeit
Autor*innenpapier Julia Verlinden & Christian Meyer
Deutschland war 2023 erstmals auf einem guten Weg, die Klimaziele 2030 zu erreichen. Das ist ein Erfolg zahlreicher engagierter Menschen in unserem Land.
Aber die Bundesregierung tut gerade vieles, um diese Chance zu ruinieren. Sie führt eine neue Subvention für Gas ein, will die Vergütung für private Solaranlagen streichen und verweigert die versprochene Stromsteuersenkung für Haushalte und Handwerk. Sie plant Überkapazitäten an neuen fossilen Kraftwerken und möchte – anstatt mit wirksamem Klimaschutz Emissionen zu mindern – CO2 unter die Erde verpressen (CCS-Technologie). Sie lässt die EU einen Zoll-Deal mit den USA abschließen, der absurd hohe Importmengen für Energien zusagt – und damit gefährliche neue Abhängigkeiten zementiert. Sie verunsichert relevante Wirtschaftsbranchen in dem sie die Ausbauziele der Erneuerbaren, die Elektromobilität und des Hochlaufens von Grünem Wasserstoff und Grünen Stahl in Frage stellt. Sie will europäische Ausgleichszahlungen fürs Verfehlen der Klimaziele im Wärme- und Verkehrssektor ausgerechnet aus dem Klimaschutz-Fonds finanzieren. Damit hat der Fonds weniger Mittel, um künftige Investitionen zur Senkung der CO2-Emissionen zu fördern, was ein erneutes Verfehlen der Ziele wahrscheinlicher macht – und erneut die finanziellen Spielräume für Deutschland begrenzt. Ein Teufelskreis.
Neben den vielen Schritten rückwärts, sind ganz wesentliche rechtliche Stellschrauben noch immer auf Vorgestern gestellt – wie das Bundesberggesetz. Es ermöglicht weiterhin, Bohrungen nach fossilen Energieträgern zu bewilligen, ohne die Auswirkungen auf das Klima, Gesundheit und die Umwelt adäquat zu berücksichtigen. Das ist nicht nur fatal für das Klima, sondern auch und ganz besonders für uns Menschen und unsere Lebensgrundlagen. Neue Gasbohrungen – wie im bayerischen Reichling oder vor Borkum – gefährden unsere Klimaschutzerfolge und konterkarieren die internationalen Klimaziele, wonach keine neuen Förderstätten für Gas, Öl und Kohle mehr erschlossen werden sollen.
Das Gutachten des Internationalen Gerichtshofes (IGH) ist klar und brutal deutlich: Deutschland steht völkerrechtlich in der Pflicht, Emissionen schnell zu senken und globale Klimagerechtigkeit herzustellen. Es lässt keinen Raum für Zaudern, sondern nur für entschlossenes Vorgehen. Das bedeutet einen ambitionierten weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, auch im Wärmesektor, der Elektrifizierung der Mobilität, dem Aufbau der grünen Wasserstoffwirtschaft und ein beherztes Vorankommen im Energieeinsparen. Und natürlich bedeutet es, keine neuen Bohrungen nach fossilen Energieträgern voranzutreiben. Doch genau das tut die schwarz-rote Bundesregierung. Sie gefährdet aktiv den Klimaschutz und begeht durch die Bewilligung neuer Förderlizenzen für fossile Rohstoffe laut IGH potenziell eine völkerrechtswidrige Handlung.
Für uns als Grüne im Bund und in Niedersachen ist die Energiewende nicht nur klimapolitisch notwendig, sondern auch eine Chance. Für saubere Luft und lebendige Meere. Für unzählige heimische Arbeitsplätze und Wertschöpfung nicht nur bei Erneuerbaren, sondern auch bei Speichern und Netzen, sowie Wärmepumpen und Energiespartechnik. Für selbst erzeugte, günstige Energie und gute Jobs. Dafür haben wir in der Ampel-Regierung und in den grün-mitregierten Ländern wichtige Weichen gestellt. Und dafür braucht es nun den Ausstieg aus fossilem Gas. Dazu gehört folgender 9-Punkte-Plan:
- Bundesberggesetz jetzt novellieren: Wir wollen, dass ab sofort keine neuen Genehmigungen für Öl- und Gasbohrungen in Deutschland – an Land wie im Meer – erteilt werden dürfen. Damit schützen wir das Wasser sowie die Gesundheit der Menschen im Umkreis der Bohrstellen und erhalten unsere wertvolle Natur. Etwaige Vertragsgesetze mit anderen Staaten sollen die Energiewende und den Ausbau der Erneuerbaren Energien zum Ziel haben und nicht wie das von der Bundesregierung unterzeichnete Unitarisierungsabkommen mit den Niederlanden fossile Öl- und Gasförderungen gegen den Klima- und Umweltschutz vorantreiben.
- Ausstiegspfad sofort definieren: Wir wollen, dass bestehende Genehmigungen für Bohrungen planbar auslaufen. Bis 2030 soll die Förderung von fossilem Öl und Gas in Deutschland vollständig beendet werden.
- Stadtwerke und Kommunen beim Umbau unterstützen: Wärmenetzbetreiber sollen bei der Transformation durch eine zuverlässige Förderung im Rahmen der Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) beim Aus- und Umbau der Wärmenetze in Höhe von mindestens 3,5 Mrd. € jährlich unterstützt werden: Anstatt aus fossiler Gas-Kraftwärmekopplung werden Wärmenetze künftig aus einem Mix von Abwärme, Großwärmepumpen und weiteren erneuerbaren Energien gespeist. Damit unterstützen wir u.a. Stadtwerke als Treiber der Wärme- und Energiewende vor Ort.
- Bürger*innen und Kommunen an der Energiewende beteiligen: Wir haben die finanzielle Beteiligung der Kommunen für Wind- und Solar-Energie ausgeweitet. Darüber hinaus fällt die Gewerbesteuer dort an, wo die Energie erzeugt wird. Damit verbessern wir die finanzielle Situation und unterstützten die Investitionsfähigkeit der Kommunen. Zusätzlich haben wir in den Ländern wie Niedersachsen die Akzeptanzabgabe für soziale und ökologische Projekte und die Beteiligung der Bürger*innen sowie Kommunen am Ausbau der Wind- und Solarenergie zum Erfolgsfaktor gemacht. Damit steigern wir die demokratische und soziale Teilhabe und die Wertschöpfung an der Energiewende vor Ort.
- Gasnetzbetreiber in die Zukunft führen: Mit den kommunalen Wärmeplänen erhalten Unternehmen und Kommunen Planungssicherheit für ihre Infrastrukturen. Um diese auch beim Gasausstieg zu erhalten, fordern wir unter anderem bessere Abschreibungsmöglichkeiten und die Abschaffung der zwingenden Rückbaupflicht der Gasnetze, um einen wertverlustfreien Übergang hin zu einer nachhaltigen Infrastruktur zu ermöglichen.
- Fossile Gastkraftwerke klimaneutral umrüsten: Eine Flexibilisierung des Stromsystems soll vorrangig mit Lastmanagement, Digitalisierung, Speichern und Erneuerbaren Energien sowie Wasserstoff-geeigneten Kraftwerken umgesetzt werden. Ein kontinuierlich ansteigender Mindestanteil von grünen Gasen (grüner Wasserstoff, Biomethan, synthetisches Methan) soll auch für die Umstellung bestehender Gaskraftwerke (Bedingung für den Weiterbetrieb) gelten.
- Keine neuen Langfristverträge für den Gasimport: Langjährige fossile Lieferverträge sind nicht mit unseren Klimazielen und auch nicht mit einer europäischen Gas-Unabhängigkeitsstrategie vereinbar und sollten deswegen nicht abgeschlossen werden. In Abstimmung mit unseren europäischen Partnern soll außerdem die LNG-Infrastruktur kontinuierlich auf Notwendigkeit überprüft werden und schnellstmöglich auf grüne Gase umgestellt werden.
- Zukunftsinvestitionen unterstützen: Die Erneuerbaren Energien, grüner Wasserstoff und Energieeffizienz müssen weiter ausgebaut und damit eine kostengünstige, sichere und nachhaltige Energieversorgung für alle sichergestellt werden. Das bedeutet auch, den Umstieg für die Verbraucher*innen weiterhin zu unterstützen, etwa indem die Heizungs- und Sanierungsförderung fortgesetzt und nach Einkommen gestaffelt wird. So greifen wir denjenigen gezielt unter die Arme, die es am meisten brauchen.
- Methanemissionen akut stoppen: Erdgas besteht überwiegend aus Methan, einem Treibhausgas, das unsere Atomsphäre weiter aufheizt und insbesondere kurzfristig für eine Verschärfung der Klimakrise sorgt. Von der Bohrplattform über Leitungen oder Konverterstationen entweicht dieses gefährliche Gas. Wir wollen daher die EU-Methanverordnung konsequent umsetzen und keine neuen Schlupflöcher bei der Aufdeckung und Beseitigung von Methanleckagen zulassen.
Dr. Julia Verlinden, niedersächsisches Mitglied des Bundestags, stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen
Christian Meyer, Minister für Energie, Klimaschutz und Umwelt, Niedersachsen