Grünes Fachgespräch: Chancen der Energieeffizienz bleiben ungenutzt

18. Juni 2014
Bundestagskuppel Vogelperspektive
©Claudio Schwarz/unsplash

Etwa einhundert TeilnehmerInnen wollten am 23. Mai 2014 die Meinung der Experten beim Fachgespräch „Energieeffizienz für die Energiewende“ hören. Dazu hatte die Grüne Bundestagsfraktion anlässlich der am 5. Juni 2014 ablaufenden Frist zur Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie eingeladen. Drei ReferentInnen stellten Umsetzungsvorschläge vor oder berichteten von bestehenden Modellen aus anderen Ländern: Dr. Martin Pehnt vom Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg, Christian Bühlmann vom Bundesamt für Energie in der Schweiz und Dr. Sibyl Steuwer vom Sachverständigenrat für Umweltfragen.

Das Ziel der EU, bis zum Jahr 2020 Primärenergie in Höhe von 20 Prozent einzusparen, wird die Bundesregierung mit den bisher gemeldeten Energieeffizienzmaßnahmen nicht erreichen. Die ReferentInnen waren sich einig: Zusätzlich zu den bestehenden Programmen sind weitere politische Maßnahmen nötig, um die Einsparziele der Richtlinie vollständig zu erfüllen. Außerdem sei für ein Gelingen der Energieeffizienzpolitik Kontinuität unerlässlich, da nur durch langfristige Planbarkeit und politische Verlässlichkeit die notwendigen Investitionen in Energieeffizienz mobilisiert würden.

„Es gibt niemanden, der GEGEN Energieeffizienz ist. Trotzdem geht es wegen der Untätigkeit der großen Koalition politisch leider nicht voran“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Oliver Krischer in seiner Begrüßung. Die energiepolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Dr. Julia Verlinden, fasste den aktuellen Stand der Debatte und der Umsetzung der EU-Energieeffizienz-Richtlinie vor. Laut Artikel 7 der Richtlinie wird eine Energieeinsparung von 1,5 Prozent pro Jahr von den Mitgliedstaaten gefordert. Das Energieeinsparziel für Deutschland liegt somit bei gut 2000 Petajoule (PJ) pro Jahr. Das entspricht etwa der Hälfte des Wärmeverbrauchs. Bereits im Dezember 2013 musste die Bundesregierung an die europäische Kommission melden, mit welchen politischen Maßnahmen sie dieses Ziel erreichen will. Die Bundesregierung konnte damals allerdings nur Maßnahmen mit einem Einsparpotential von 460 PJ benennen. Die Umsetzungslücke von gut 1500 PJ pro Jahr gilt es nun zu schließen.

Dr. Martin Pehnt hatte dafür einen Umsetzungsvorschlag im Gepäck, den das IFEU für den BUND erarbeitet hat (alle Vorträge s.u.). Laut Pehnt bedarf es eines Konzepts, das auf dem vorhandenen Instrumentarium aufbaut, Marktakteure in ihren Aktivitäten stärkt, die Kreativität wettbewerblicher Elemente integriert und das Ganze mit der Verlässlichkeit einer haushaltsunabhängigen Finanzierung verbindet. Dabei müsse darauf geachtet werden, dass absolute Energieeinsparung und nicht nur eine relative Verbesserung der Energieeffizienz erzielt werde. Das IFEU-Modell sieht u.a. einen Nationalen Energiesparfonds vor, der auf vier Säulen beruht. Die erste Säule umfasst bestehende Breitenprogramme auf nationaler Ebene; die zweite Säule beinhaltet Standardprogramme für Energieversorger und Dienstleister; die dritte Säule umfasst neue wettbewerbliche Ausschreibungen, die insbesondere Programme in komplexen oder neuen Handlungsfeldern ermöglichen sollen, und die vierte Säule ist eine Risiko-Absicherung mit Ausfallbürgschaften für Effizienzinvestitionen. Der Finanzbedarf für Effizienzmaßnahmen soll im Stromsektor aus einer minimalen Erhöhung der KWK-Umlage und im Gebäude- und Wärmesektor durch eine moderate Umlage auf die Öl- und Gassteuern gedeckt werden. Darüber hinaus soll durch eine steuerliche Abschreibung auf energetische Sanierungen ein weiterer Anreiz für Investitionen geschaffen werden.

In seinem Vortrag „Das wettbewerbliche Ausschreibungsmodell & Das Bonus-Modell“ ging Christian Bühlmann vom Schweizer Bundesamt für Energie auf die Energieeffizienzsysteme in der Schweiz ein. Dort wird anders als in Deutschland die Energieeffizienz als erste Säule der Energiewende betrachtet. Neben den schon existierenden Instrumenten wie dem Emissionshandel, einer Lenkungsabgabe von 48 Euro pro Tonne CO2, Zielvereinbarungen mit den Unternehmen zur Befreiung von der CO2-Abgabe, sowie einer CO2-Kompensationspflicht für fossile thermische Kraftwerke und Treibstoffimporteure, wurde 2010 ein wettbewerbliches Ausschreibungsmodell unter dem Namen ‚ProKilowatt‘ eingeführt. Darin werden rund 16 Mio. Euro jährlich für Effizienzprojekte bereitgestellt. Unternehmen können sich um die Förderung bewerben, wobei nur solche Stromeffizienzmaßnahmen gefördert werden, die ohne Beiträge nicht umgesetzt würden und die sich in einem geregelten Ausschreibeverfahren mit dem besten Kosten-/Wirkungsverhältnis auszeichnen. Die Bilanz des Modells fällt positiv aus: In den Jahren 2010 bis 2013 konnten Maßnahmen für eine Fördersumme von rund 48 Millionen Euro umgesetzt werden, die über die gesamte Laufzeit mehr als zwei Terawattstunden Energie einsparen. Finanziert wird die Förderung durch eine Umlage von 0,1 Rappen pro Kilowattstunde Stromverbrauch. Neben den wettbewerblichen Ausschreibungen gibt es in der Schweiz zurzeit eine Gesetzesinitiative für ein Verpflichtungsmodell, welches Stromlieferanten auf eine jährliche Einsparung von bis zu zwei Prozent verpflichten soll.

Dr. Sibyl Steuwer von der Forschungsstelle für Umweltpolitik der Freien Uni Berlin referierte über die Energiespar-Modelle in Großbritannien und in Dänemark. In Großbritannien verteilt die Behörde ‚Ofgem E-Serve‘ die Einsparverpflichtung auf größere Strom-und Gasversorger. Den Unternehmen bleibt die Strategie zur Umsetzung der notwendigen Einsparungen selbst überlassen. Neben eigenen Programmen entstanden dadurch vielfältige Partnerschaften mit Kommunen, Installateuren, dem Einzelhandel oder den Sozialwohnungsunternehmen. Die Einsparungen erfolgten dabei vor allem über Dämmung von Gebäuden. Finanziert werden die Maßnahmen über eine Umlage auf den Strompreis.

In Dänemark gibt es Vereinbarungen zum Energiesparen zwischen dem Ministerium und Branchenvertretern. Dabei gibt es Energieeffizienzmaßnahmen in allen Endenergiesektoren und für alle Brennstoffe. Die Administration liegt bei der Dänischen Energieagentur. Finanziert werden die Maßnahmen durch eine leichte Erhöhung der Netzentgelte. In Dänemark hat sich so über die letzten Jahre eine ganze Branche entwickelt, die Effizienzdienstleistungen anbietet und damit in den einzelnen Regionen Wertschöpfung und Arbeitsplätze schafft. Allerdings ist eine Übertragbarkeit der Energieeffizienzsysteme von Großbritannien und Dänemark auf Deutschland nur begrenzt möglich. Es bedürfe vor allem einer pragmatischen Herangehensweise, so Dr. Steuwer. Besonders der Maßnahmenmix und der Zielzuschnitt seien entscheidend für den langfristigen Erfolg der Energieeffizienzpolitik.

In der anschließenden Diskussion mit den TeilnehmerInnen desFachgesprächs wurden Vor- und Nachteile der einzelnen Modelle erörtert. Dabei wurde deutlich, dass es zwar unterschiedliche Auffassungen über die genaue Ausgestaltung von neuen politischen Instrumenten gibt, aber grundsätzlich Einigkeit darin besteht,  dass die Chancen für Klimaschutz und Unternehmen durch mehr Energieeffizienz herausgestellt und die EU-Richtlinie endlich umgesetzt werden muss. Übereinstimmung herrschte auch in dem Punkt, dass es einer zentralen Stelle bedarf, welche die Programme koordiniert und überwacht.

Dr. Julia Verlinden versicherte zum Abschluss der Veranstaltung: „Wir  Grüne werden die Bundesregierung weiterhin zu einer ambitionierten und zügigen Umsetzung der Energieeffizienzpolitik drängen und hierzu eigene Vorschläge präsentieren.“

Vorträge der Experten zum Downlaod:

Dr. Martin Pehnt: Das IFEU/BUND-Umsetzungskonzept für Art. 7 EED

Christian Bühlmann: Effizienzpolitik in der Schweiz

Dr. Sibyl D. Steuwer: Energieeffizienzverpflichtungen in Europa – Großbritannien und Dänemark im Vergleich