Schon wieder hat die Große Koalition im Bundestag die Chance vertan, ein Zeichen gegen Gentechnik zu setzen. In der namentlichen Abstimmung zum Antrag von B90/Die Grünen „Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher herstellen – Honig mit gentechnisch veränderten Bestandteilen kennzeichnen” (Drucksache 18/578, im Anhang) haben nur 3 Abgeordnete von CDU/CSU und kein einziger SPD-Abgeordneter, auch nicht die aus der Region, für eine Kennzeichnungspflicht von Honig mit Gentech-Pollen gestimmt.
Dazu erklärt Dr. Julia Verlinden, Abgeordnete für die Kreise Cuxhaven, Harburg-Land, Lüchow-Dannenberg, Lüneburg, Stade und Uelzen (Bündnis 90/Die Grünen):
Mit der Abstimmung hat die große Koalition ganz klar gegen die Interessen ihrer Wählerinnen und Wähler und auch gegen den eigenen schwarz-roten Koalitionsvertrag gehandelt. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie erwarten von der Politik zurecht verlässliche Kennzeichnungen, damit sie sich beim Einkauf gegen Gentechnik in Lebensmitteln entscheiden können. Darum haben wir Grüne auch diese Initiative im Parlament auf den Weg gebracht, die nun an der Groko gescheitert ist.
Geradezu unglaublich ist die Ausrede, die im Plenum von Rednerinnen und Rednern der Koalition vorgebracht wurde, warum sie nicht für unseren Antrag gestimmt haben: Dafür sei es zu spät, die EU-Entscheidung sei schon gefallen, außerdem komme es auf Deutschlands Stimmen dabei ohnehin nicht an. Ganz ähnlich klang das schon bei der Genmais-Abstimmung. Doch es wird durch Wiederholen nicht besser. Bei der Honig-Kennzeichnung würde sogar eine deutsche Enthaltung in Brüssel reichen. Und die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Der Honig ist also noch nicht gelöffelt!
Wenn es tatsächlich einfach nur „zu spät“ wäre, wäre das ja auch noch skandalöser. Denn das würde bedeuten, dass die deutsche Regierungskoalition es bisher schlicht versäumt hätte, sich in Brüssel entsprechend zu engagieren. In Wahrheit hat die Merkel-Regierung selbst im bisherigen EU-Entscheidungsprozess bei den Hinterzimmer-Vorabstimmungen kräftig daran mitgewirkt, die Kennzeichnung von Gen-Honig zu verhindern.
Hintergrund
Das “Honig-Urteil” des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat 2011 klargestellt: Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen ist wie eine Zutat im Honig zu werten und muss entsprechend gekennzeichnet werden.
Dieses klare Urteil des höchsten europäischen Gerichts will die EU-Kommission mit tatkräftiger Unterstützung von der Regierung Merkel jetzt durch einen Änderung der Honigrichtlinie unterlaufen. Pollen soll einfach zu einem “natürlichen Bestandteil” umdefiniert werden. Das hätte zur Folge, dass selbst kanadischer Rapshonig, der fast ausschließlich von Gen-Raps stammt, nicht als Genfood erkennbar wäre. Dabei ist klar, dass die manipulierte Erbsubstanz im Pollen vollständig erhalten bleibt. Daher ist nicht nachvollziehbar, warum Honig als einziges Lebensmittel nicht gekennzeichnet werden soll, wenn er intakte gentechnisch veränderte DNA enthält. Verschleierung ist keine akzeptable Strategie, um mit Gentech-Verunreinigungen umzugehen!
Was Kommission und Bundesregierung hier klammheimlich planen, ist ein klarer Fall von vorsätzlicher Verbrauchertäuschung. Erneut zeigt sich, dass für Angela Merkel die Interessen der Konzern-Lobby und die Freihandelsverhandlungen mit den USA und Kanada wichtiger sind als die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher oder der Schutz der Imkerei.
Völlig unverständlich ist das Verhalten der SPD-Fraktion, die sich noch vor einem Jahr in einem rot-grünen Antrag für den Erhalt der Kennzeichnungspflicht eingesetzt hat und heute ihre Ablehnung des Grünen Antrages mit fadenscheinigen Ausreden begründet. Auch die CSU redet zwar gerne von Gentechnikfreiheit, traut sich aber ebenfalls nicht, danach zu handeln.
Wie bereits beim Genmais 1507 versucht die Regierungskoalition erneut, Deutschlands Bedeutung in Brüssel kleinzureden. Dabei bestünden sehr gute Chancen, noch eine Sperrminorität gegen den Kommissionsvorschlag zur Änderung der Honigrichtlinie zu erreichen. Dazu darf Deutschland aber dem Kommissionsplan nicht zustimmen. Entgegen anderslautender Behauptungen aus Koalitionsreihen ist das Verfahren auf EU-Ebene noch nicht abgeschlossen: Der EU-Umweltausschuss wird sich am 19. März mit dem Thema befassen, danach steht noch die Lesung im Europäischen Parlament aus, genauso wie die endgültige Abstimmung im Ministerrat. Und genau in dieser noch nicht terminierten endgültigen Abstimmung kommt es ganz entscheidend auf die deutschen Stimmen an.
Weitere Informationen zu Antrag und Debatte
Antrag „Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher herstellen – Honig mit gentechnisch veränderten Bestandteilen kennzeichnen” (Drucksache 18/578):
http://dip.bundestag.de/btd/18/005/1800578.pdf
Ergebnis der Namentlichen Abstimmung zur Gen-Honig-Kennzeichnung: http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/abstimmung/grafik/index.jsp
Hier kann man nachsehen, wie jede/r einzelne Abgeordnete abgestimmt hat. Achtung: Ein „Ja“ bedeutet dabei die Ablehnung unseres Antrages (weil über die „Beschlussempfehlung“ aus dem Ausschuss abgestimmt wird), ein „Nein“ bedeutet Zustimmung.
Bei SPD und CDU/CSU gab es wieder einige Enthaltungen, bei CDU/CSU sogar immerhin drei Stimmen für unseren Antrag.