20 Jahre nach Inkrafttreten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, das den Betreibenden von Solar-, Wind-, Biomasse-, Wasser- und Erdwärmekraftwerken über 20 Jahre eine feste Einspeisevergütung für produzierten Strom garantiert, endet die Finanzierung für die ersten Anlagen. In den kommenden Jahren steht eine Vielzahl von Erneuerbaren-Anlagen vor dem aus. Bislang fehlen die richtigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Weiterbetrieb der Anlagen. Damit droht wertvolle Kraftwerkskapazität verloren zu gehen, die Gefahr einer Ökostromlücke steht im Raum.
Wind- und Solarausbau blockiert
Denn gleichzeitig wird der Neubau von Solaranlagen seit Jahren durch die Regierungskoalition in Berlin ausgebremst. Die stark begrenzten Mengen, die über Ausschreibungen vergeben werden, sind regelmäßig überzeichnet. Gleichzeitig rückt der Förderdeckel für kleine und mittlere Anlagen immer näher und alternative Geschäftsmodelle für die urbane PV wie Mieterstrom wurden niederreguliert. Noch schlimmer ist die Lage der Windenergie: 16 Gigawatt Windradleistung, die bis 2025 aus der Förderung fallen und von denen nur 40 Prozent an ihren bisherigen Standorten repowert werden können, steht ein Ausbau von unter einem Gigawatt im letzten Jahr gegenüber. Ohne substantiellen Weiterbetrieb von Altanlagen könnte die Zahl der installierten Windräder sogar zurückgehen.
Um dieses Worst-Case-Szenario zu verhindern, sind jetzt kluge Weichenstellungen und eine klar energiewendeorientierte Energiepolitik in Bund und Ländern notwendig. Um die richtigen Schritte zu diskutieren, führte die grüne Bundestagsfraktion am 24. Februar 2020 in Berlin ein Fachgespräch durch. Die Fragestellung lautete: Wie kommen wir zu einem zweiten Frühling für ältere Erneuerbaren- Anlagen?
Gezielte Vermarktung notwendig
Thorsten Lenck, Projektleiter der Agora Energiewende, führte in seinem Vortrag folgerichtig den Ausbau der Erneuerbaren als eine der prägenden Strategien der 2020er Jahre an. Dieser müsse die andere Seite der Medaille des Kohleausstiegs sein, während der Atomausstieg bis 2023 planmäßig abgeschlossen wird. Für den Weiterbetrieb von Erneuerbaren-Anlagen wirkt sich der durch steigende CO2-, Gas- und Kohlepreise ebenfalls steigende Strompreis zwar positiv aus. Der gleichzeitige Ausbau der Erneuerbaren senkt aber andererseits den Strompreis in einem Maße, welches die alleinige Vermarktung älterer Anlagen über den Börsenstrompreis unrealistisch erscheinen lässt, so die Einschätzung von Lenck.
Gerade für Solaranlagen ergebe sich die Gefahr einer „wilden“ Einspeisung, sollten die Anlagen nach 20 Jahren einfach weiterlaufen. Damit drohten Stromsperren für die Anlagenbetreiber*innen. Es müsse deshalb am besten noch mit Vorlauf vor dem 1. Januar 2021 eine Anschlussregelung getroffen werden, die zum Beispiel durch eine automatische Anschlussvermarktung durch den Netzbetreiber auch solche Anlagen erhält, deren Betreiber*innen nicht von sich aus aktiv werden.
In drei technologiespezifischen Vorträgen trugen Unternehmen aus der Wind-, Solar- und Bioenergiebranche die Herausforderungen für Anlagen im Alter über 20 in ihrem Bereich vor.
Weiterbetrieb von größeren Windanlagen möglich
Frederik Dudel von Enertrag wies darauf hin, dass bis 2025 in einzelnen Bundesländern bis zu 40 Prozent der Windräder aus der Förderung fallen. Bei Enertrag seien immerhin 16 Prozent des Portfolios betroffen, darunter auch Anlagen die ab 1996 errichtet wurden. In der Betrachtung kleiner Anlagentypen mit 600 Kilowatt Leistung zeige sich, dass diese bei Marktpreiserlös nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können, sobald Reparaturen anfallen. Anlagen ab einem Megawatt aufwärts können dagegen auch im Weiterbetrieb rentabel sein. Wenig belastete Anlagen im Binnenland könnten durchaus ein Lebensalter von 35 Jahren erreichen. Langfristig müsse jedoch generell auf Repowering gesetzt werden und die Genehmigung neuer Anlagen an solchen Standorten als Änderungsgenehmigung möglich sein.
Solarpioniere wollen weitermachen
Im Vortrag von Felix Schäfer von den Bürgerwerken eG wurde klar, dass das Problem im Solarbereich zumindest zu Beginn der 2020er nicht die wegfallende Leistung, sondern die große Zahl der betroffenen Anlagen ist. Bis 2025 müssen sich jedes Jahr rund 20.000 Pionier*innen der Energiewende fragen, was mit ihren Anlagen, deren Leistung meist unter 5 Kilowatt (kW) liegt, geschehen soll.
Eine überwiegende Mehrheit von 90 Prozent möchte ihre Anlagen gerne weiterbetreiben. Als Optionen stehen dafür bisher nur gezielter Eigenverbrauch oder Volleinspeisung und Direktvermarktung zur Verfügung. Letztere rechnet sich nach Berechnungen der Bürgerwerke für Anlagen bis 10 kW Peak nicht, sehr kleine Anlagen bis 5 kW Peak rechnen sich selbst als Eigenverbrauchsmodell nicht. Als Lösung für einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb wurde eine Vergütung des eingespeisten Stroms in Höhe des Monatsmarktwertes vorgeschlagen. Für Anlagen unter 5 kW (Peak) würde der veranschlagte zukünftige Marktwert jedoch nicht den Betrieb sichern, weshalb für diese Anlagen eine Auszahlung des Marktwertes plus Betrag X zu erwägen sei.
Energie aus Biomasse vor starkem Rückgang
Jörg Fischer von der Firma enviTec zeichnete für den Bereich der Energie aus Biomasse ein düsteres Bild. Mit Blick auf das Auslaufen der EEG-Förderung für Bioenergieanlagen sprach er von einer Sterbekurve, bei der sich der Bestand der Anlagen bis 2035 um 90 Prozent verringern könnte. Der Förderanreiz für Neubauten sei grundsätzlich zu niedrig gesetzt und läge unter den durchschnittlichen Erzeugungskosten. Der Wegfall alter Anlagen sei so nicht zu kompensieren.
Die Förderbedingungen sollten deshalb so gestaltet werden, dass ein Anlagenbestand in der aktuellen Höhe zu halten sei. Um mit diesem die Stärke der Bioenergie – Flexibilität und Grundlastfähigkeit – ausspielen zu können, sollte die bestehende Deckelung der Flexibilitätsprämie gestrichen werden. Auch wenn in der Diskussion unterschiedliche Ansichten über den optimalen Beitrag der Bioenergiebranche zur Energiewende deutlich wurden, bestand grundsätzlich Einigkeit darin, dass der bisherige Anlagenbestand als Flexibilitätsreserve erhalten bleiben müsse.
Abrechnungshindernisse beseitigen, Vermarktung erleichtern
Bei der Windenergie wurde auf Herausforderungen hingewiesen, die zum Beispiel bis in die Details der Abrechnung hineinreichen. So müsse geklärt werden, wie EEG- und Nicht-EEG-Anlagen an einem gemeinsamen Netzverknüpfungspunkt abzurechnen seien. Andernfalls drohe ähnlich wie bei der Photovoltaik der nachträgliche und kostentreibende Einbau von neuen Zählersystemen. Die Möglichkeiten der Vermarktung jenseits des EEG würden aktuell nicht ausreichend genutzt. Beispielsweise sei die Ausstellung von Herkunftsnachweisen derzeit nicht auf die teils kleinen Mengen erneuerbaren Stroms ausgerichtet.
Der übergreifende Tenor in der Diskussion über weiterlaufende Solaranalgen war „es muss einfach sein“. Für die vielen Einzelbesitzer*innen müsse ein reibungsloser Weiterbetrieb möglich sein. Die jüngst vom Umweltbundesamt veröffentlichte Studie zum Weiterbetrieb weise hier eine Reihe von Möglichkeiten auf. Generell sei das Ausmaß an Bürokratie für kleine PV-Anlagen zunehmend erdrückend. Eine strikte elektronische Kommunikation allein mit den Netzbetreibern könne helfen und Papierberge vermeiden.
Im Ergebnis fasste Julia Verlinden zusammen, dass in allen Bereichen dringender Handlungsbedarf bestehe. Die große Resonanz des Fachgesprächs sei ein Zeichen, dass es aktuell an konkreten politischen Initiativen der Regierung mangele, mit denen der ökologisch und klimapolitisch notwendige Weiterbetrieb voll funktionstüchtiger Erneuerbaren-Anlagen angegangen werde.