Experten empfehlen frühe Bürgerbeteiligung bei Atommülllager-Suche
15. September 2015Bei einer Anhörung in der Atommüll-Kommission des Bundestages haben sieben Experten von ihren Erfahrungen mit der Bürgerbeteiligung bei Großprojekten berichtetet. Ziemlich einig waren sie sich in der Frage, wann die Bürgerbeteiligung beginnen sollte: So früh wie möglich. Das habe sich bei verschiedenen Projekten wie Netzausbau, der Planung von Großflughäfen oder Windparks übereinstimmend gezeigt.
Die Grüne Bundestagsabgeordnete Julia Verlinden sieht in diesem Ergebnis einen wichtigen Hinweis für die Atommüll-Kommission: „In der Kommission wird zurzeit überlegt, mit der Bürgerbeteiligung erst zu beginnen, wenn die oberirdisch zu untersuchenden Standorte bereits festgelegt worden sind. Das wäre dann aber keine Mit-Entscheidung, wie sie von dem Wiener Rechtsanwalt und Mediator Dr. Thomas Prader zurecht gefordert wird.“ Prader hatte in der Kommission vorgeschlagen, mit 15 bis 20 Standorten in die Öffentlichkeitsbeteiligung zu gehen, damit es für Betroffene und Interessierte tatsächlich etwas zu entscheiden gebe.
Dr. Peter Ahmels von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hatte vom Beteiligungsverfahren für zwei Hochspannungsleitungen in Schleswig-Holstein berichtet. Dort fand eine wohnortnahe Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe statt, die tatsächlich zu einem gemeinsamen Prozess führte und geplante Trassenverläufe veränderte. Obwohl das Verfahren zeitaufwendig war, wurde durch die frühe Beteiligung die Verfahrensdauer für das Bauprojekt insgesamt verkürzt.
Andererseits berichtete Thomas Norgall vom BUND Hessen, wie beim Flughafen Frankfurt durch ein gebrochenes politisches Versprechen in Sachen Beteiligung viel Vertrauen verloren gegangen sei. „So etwas darf bei der Suche nach einem Atommülllager auf keinen Fall passieren“, mahnt Verlinden.
Vor Beginn der Anhörung war es zwischen Staatssekretär Jochen Flasbarth aus dem Bundesumweltministerium und Mitgliedern der Atommüll-Kommission zu einer Kontroverse über den Umfang der Kommissionsarbeit gekommen. Während sich die Arbeitsgruppe 3 der Kommission, die für die Erarbeitung der Standort-Kriterien zuständig ist, einmütig dafür aussprach, nur für hochradioaktiven Atommüll zuständig zu sein, wurde dies vom Umweltministerium anders gesehen. Ein Beschluss über das weitere Vorgehen mit den zusätzlichen Abfällen wurde auf die nächste Kommissionssitzung im Oktober verschoben.