EUFORES-Treffen: europäischer Austausch zu Energieeffizienz und Erneuerbaren

10. Oktober 2016
Bundestagskuppel Vogelperspektive
©Claudio Schwarz/unsplash

Als Berichterstatterin meiner Fraktion für den Themenkomplex Energie im Ausschuss für Wirtschaft und Energie habe ich am „16th Inter-Parliamentary Meeting on Renewable Energy Soures and Energy Efficiency“ vom „European Forum for Renewable Energy Sources“ (EUFORES) vom 6. bis 08. Oktober 2016 in Kopenhagen teilgenommen. Diesmal waren Abgeordnete aus 23 EU-Mitgliedstaaten dabei – Oliver Krischer (stellv. Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen) und ich waren leider die einzigen Abgeordneten aus Deutschland. Neben ca. 60 ParlamentarierInnen aus ganz Europa nahmen auch etwa 100 VertreterInnen aus Wissenschaft, Wirtschaft, NGOs, Ministerien, Verwaltung und Botschaften teil.

Zweck der Reise war es, mich mit den Fach-Parlamentariern aus anderen EU-Staaten zu den Themen Erneuerbare Energien und Energieeffizienz auszutauschen. Dabei trat ich sowohl mit Abgeordneten des Europa-Parlaments, als auch mit Abgeordneten von nationalen und regionalen Parlamenten in Kontakt. Die Konferenz wurde in Zusammenarbeit mit dem Dänischen Parlament durchgeführt und fand vorwiegend im Parlamentsgebäude statt.

Der erste Themenblock stand unter dem Titel “The foreign policy dimension of energy transition”. Die Redner Phil Summerton vom Beratungsunternehmen Cambridge Econometrics und Maros Sefcovic (Vice-President for Energy Union, European Commission) betonten, dass der Import von Energie und Ressourcen nach Europa bald der Vergangenheit angehören werde. In Zukunft werde die Europäische Wirtschaft (Erneuerbare und Effizienz-)Technologie exportieren. Für beide war das Thema Versorgungssicherheit eng mit Energiesparen verknüpft.

In der zweiten Sitzung ging es darum, wie die Energieunion Wirklichkeit werden kann („How to make the Energy Union come true“). Hier stellten der dänische Außenminister Kristian Jensen, der Staatssekretär des deutschen Bundeswirtschaftsministeriums Rainer Baake, die Staatssekretärin des rumänischen Energieministerium Corina Popescu, Matthias Buck von Agora Energiewende und Claude Turmes, Europaabgeordneter sowie Präsident von EUFORES ihre Thesen vor und diskutierten sie mit dem Publikum. Dabei ging es u.a. um die stark gesunkenen Kosten für Erneuerbare Energien im Stromsektor und um die Verkehrswende.

Rainer Baake wies darauf hin, dass die Dekarbonisierung im Verkehr bis spätestens 2050 nur gelingen könne, wenn bereits ab 2030 nur noch Zero-Emissions-Autos vom Band gehen. Denn i.d.R. werde ein Auto für 20 Jahre genutzt. Danach wurde ich von irritierten TeilnehmerInnen der Konferenz darauf angesprochen, ob denn die Energiewende im Wärmesektor in Deutschland kein Thema sei, weil der Staatssekretär das Thema gar nicht erwähnt habe und nur von Strom und elektrischem Verkehr gesprochen habe. Claude Turmes betonte: Wenn erneuerbarer Strom neben dem Ersatz von fossilem Strom auch für Elektromobilität benötigt werde, müsse auch die Erneuerbaren-Richtlinie der EU darauf eingehen. Das würde heißen, dass noch mehr zusätzlicher erneuerbarer Strom erzeugt werden müsse.

Anschließend ging es in regionalen Workshops weiter, um die parlamentarische Dimension der regionalen Zusammenarbeit als nächste große Herausforderung der EU-Energiepolitik zu besprechen. Ich besuchte den Workshop zur Nordsee-Region, mit ReferentInnen aus Irland (dem Abgeordneten Eamon Ryan) und dem Vereinigten Königreich (die britische Europaabgeordnete Theresa Griffin). Hier stand der Stromnetzausbau und die internationale Zusammenarbeit im Vordergrund. Eine Abgeordnete aus Irland fragte, wie man die Unterstützung der Bevölkerung für die Energiewende gewinnen könne. Da konnte ich vom Erfolg der Bürgerenergiewende in Deutschland berichten: Wenn Menschen selbst an der Energiewende teilnehmen, indem sie eigene Erneuerbare Energien-Anlagen errichten und vor Ort daran beteiligt sind mitzuentscheiden, wie ihre Energieversorgung aussehen soll, dann können sich die BürgerInnen besser mit der Energiewende identifizieren. Die regelmäßig hohen Zahlen für die Akzeptanz von Erneuerbaren Energien in repräsentativen Umfragen bestätigen dies.

Dann wurde es noch praxisbezogener: VertreterInnen von Unternehmen und Verbänden präsentierten ihre Ideen zum Punkt „EU world leader in renewables – wishful thinking or new opportunities for EU industries, services and financing sector?“ Neben Siemens, dem dänischen Energiekonzern Dong und EWE kamen ein Verbraucherschützer und der europäische Verband für Biomasse zu Wort.

Siemens berichtete z.B. über die 200 Mio. Euro an neuen Investitionen in Cuxhaven, wo 1000 Arbeitsplätze für die Wind-Offshore-Industrie entstehen. Es wurde darauf hingewiesen, wie schnell Europa den Vorreiter-Status verloren hat. Während vor einigen Jahren noch nahezu alle Windräder in Europa standen, stehen nun deutlich mehr in Asien. Dong ist mit Abstand der Weltmarktführer für Offshore Windenergie (26% der installierten Kapazität). Der Unternehmensvertreter betonte die hohe Relevanz des Heimatmarkts, um so die Technik weiterentwickeln zu können.

Frau Kolmsee, Vorstandsmitglied von EWE, berichtete vom spannenden Projekt Enera im Nordwesten von Niedersachsen. Dabei handelt es sich um einen Praxisgroßtest von Smart Grids. Ziel des Projekts ist es, über die Digitalisierung Strom-Kunden und -Erzeuger besser zu vernetzen. Der Markt soll so über die erhöhte Transparenz flexibilisiert werden und für die nächsten Schritte der Energiewende fit gemacht werden.

Fanny-Pomme Langue von AEBIOM (The European Biomass Association) berichtete über europäische Projekte zum Thema Heizen und Kühlen von Gebäuden. U.a. betonte sie, dass bestehende Wärmenetze perfekt geeignet seien, um kurzfristig viel für den Klimaschutz zu erreichen. Denn es brauche nur eine Entscheidung um den Brennstoff und die Wärmeproduktion umzustellen. Um den gleichen Effekt bei Einzelheizungen zu erzielen, müssten tausende von Haushalten ihre Heizung austauschen.

Außerdem kam Lars Pram vom Danish Consumer Council zu Wort und betonte: „Wenn die Energiewende zum Erfolg führen soll, muss sie für die Verbraucher zum Erfolg führen“. Er nannte u.a. als wichtigen Punkt, dass die Menschen die Möglichkeit haben, selbst Energie zu erzeugen und zu verbrauchen (sogenannte Prosumer). Dafür müssten die politischen Rahmenbedingungen gerecht sein, nicht gleich. Um seine Perspektive zu verdeutlichen, verglich er die Energiewende mit der Verkehrsplanung: Niemand erwartet, dass die Fußgänger und Radfahrer auf der Autobahn fahren und sich dort „am Markt“ durchsetzen. Vielmehr sehe die Verkehrsplanung für Fahrräder extra Radspuren auf den Straßen vor, um geschützte Räume für die „schwächeren“ VerkehrsteilnehmerInnen zu schaffen. Dadurch werde ihnen die Teilnahme am Verkehr ermöglicht und sie werden zusätzlich motiviert. Ähnlich stelle er sich das für die Energiewende vor.

Am nächsten Morgen begann der vierte Themenblock: "Energy Efficiency – Europe’s and the world’s first fuel”. Den Einstieg machte Mark Lister vom Copenhagen Centre on Energy Efficiency, der die globale Kampagne „Sustainable Energy 4 All“ vorstellte und verdeutlichte, welche Rolle Energieeffizienz zur Bekämpfung des Klimawandels hat und was konkret in Marrakesch vereinbart werden könnte. Außerdem präsentierte Daniel Becker von Ecofys Forschungsergebnisse aus dem Projekt Energy Efficiency Watch. Die Ergebnisse der 26 Länderberichte und 10 Fallstudien waren u.a. Empfehlungen für effektive politische Instrumente. Einiges davon wurde in der Publikation „How to make Europe Number 1 in Energy Efficiency“ veröffentlicht.

Session fünf widmete sich der neuen EU-Energieeffizienz-Gesetzgebung (geplante Novellierungen der Richtlinien). Zunächst berichtete Paul Hodson, Leiter der Abteilung „Energy Efficiency“ bei der Generaldirektion Energie der EU Kommission, von der neuen Struktur der EU-Richtlinien und weiteren Neuigkeiten aus dem Novellierungsprozess. So wird die Europäische Kommission das Energiepaket mit neuen Novellen der Richtlinien erst am 7. Dezember präsentieren. Hodson betonte, dass Energieeffizienzpolitik bereits wirke. Trotz steigender Bevölkerungszahlen und größeren Wohnungen, was beides zunächst zu höherem Energieverbrauch führe, sei unterm Strich der Energieverbrauch in der EU in den letzten Jahren gesunken. Das liege nicht am niedrigeren Wirtschaftswachstum, sondern an den erfolgreichen politischen Instrumenten. Wichtig sei in diesem Zusammenhang, dass der Trend zwar nach unten gehe, aber nur sehr langsam und für Klimaschutz-Ziele nicht ausreichend.

Spannende Zahlen demonstrierte er zum Thema Heizungsaustausch: Demnach werden nur 5% der Heizungen aus Effizienzgründen ausgetauscht, 30% der Heizungs-Austausche passieren, wenn das komplette Gebäude renoviert wird und 65% der Heizungen werden nur deswegen ersetzt, weil sie kaputt gegangen sind. Er betonte, wie wichtig in diesem Fall neue politische Instrumente seien, um das Thema anzugehen. Von der Vertreterin einer NGO wurde er gefragt, wie die Subventionen für Erdgas- und Erdöl-Heizungen (Austausch der Kessel) durch die KfW in Deutschland zu den Klimaschutzzielen passen und dass man doch eigentlich Subventionen für fossile Energieträger abbauen wolle? Herr Hodson antwortete darauf, dass er sich einiges von dem Energieeffizienz-Labelling verspreche. Er setze darauf, dass die BürgerInnen durch die Effizienzklasse A erkennen würden, dass sie die beste Wahl treffen. Zurzeit kann A zwar noch für effiziente fossile Heizkessel vergeben werden, aber in Zukunft soll es A nur noch für Erneuerbare Systeme geben.

Marion Santini stellte die Coalition for Energy Savings vor, in der sich 31 Mitglieder aus Industrie, NGOs, Verbraucherschutzorganisationen und anderen Dachverbänden (500 Organisationen, 200 Unternehmen, 2.500 Städte in 30 europäischen Ländern) engagieren. Aus ihrer Sicht sollte die Novellierung der Effizienz-Richtlinie dazu genutzt werden, um ein ambitioniertes Ziel von minus 40% Energieverbrauch bis 2030 festzulegen. Wichtig sei auch ein Vereinfachen der Anforderungen.

Die Konferenz war sehr informativ, der Austausch spannend und hilfreich für meine eigene parlamentarische Arbeit. Ich würde mich freuen, wenn nächstes Jahr weitere Abgeordneten-KollegInnen des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie die Gelegenheit nutzen, sich zum Thema Erneuerbare Energien und Energieeffizienz mit ParlamentarierInnen aus ganz Europa zu vernetzen und auszutauschen.