Diskussion mit Vattenfall: Fischschutz und Wasserkraftnutzung in Geesthacht in der Elbe
6. März 2017Im Jahr 1957 hatten die HEW (Hamburger Elektrizitätswerke) für 100 Jahre die Wasserrechte für den Standort Geesthacht erhalten, mit der Auflage, diese zu nutzen oder andernfalls an den Bund zurückzugeben. Der Rechtsnachfolger der HEW, die Firma Vattenfall, hat sich auch schon mehrfach mit der Frage beschäftigt, ob sich an der Elbe Strom aus Wasserkraft gewinnen lässt.
Am 28. Februar hat sich Julia Verlinden vor Ort ein Bild von der Situation gemacht und alle interessierten Akteure an einen Tisch geholt, um Bewegung in dieses Projekt zu bringen. Neben KommunalpolitikerInnen und interessierten Bürgern war ein Vertreter der Stadtwerke Geesthacht, des Bauamtes, eine Vertreterin des Wasser- und Schifffahrtsamtes in Lauenburg sowie Vertreter von Vattenfall dabei.
Zunächst nutzte die Gruppe um Julia Verlinden die Möglichkeit, die größte Fischtreppe Europas an der Staustufe in Geesthacht zu besichtigen. Diese Fischtreppe war vor einigen Jahren als Ausgleichsmaßnahme für das Vattenfall-Kohlekraftwerk Moorburg gebaut worden. Seitdem wird die Fischtreppe wissenschaftlich intensiv begleitet. Gudrun Bode, die zuständige Expertin von Vattenfall, konnte bei windigem aber trockenem Wetter in 90 Minuten alle fischbiologischen Besonderheiten und Fragen sehr verständlich erläutern. Das Monitoring der letzten fünf Jahre beweist, dass die neue Fischtreppe, die auch für die Wiederansiedlung des Störs ausgelegt wurde, ein voller Erfolg ist. Im Gegensatz zur alten Fischtreppe am gegenüberliegenden Ufer schaffen 8-mal mehr Fische den Aufstieg, darunter viele Fischarten, die die alte Fischtreppe gar nicht nutzen konnten. Da alle Fische erfasst und vermessen werden, konnte sowohl ein verirrter Seehund, als auch ein 1,72m langer Stör dort kontrolliert und mit Sendern versehen werden.
Durch diesen verbesserten Fischaufstieg können nunmehr auch die bedrohten Aale und Lachse wieder besser den Oberlauf der Elbe und seine einfließenden Gebirgsbäche bis zur Tschechischen Grenze besiedeln. Insbesondere die Wiederansiedelung des Störs wäre ohne diese Fischtreppe nicht denkbar.
Erwähnenswert ist, dass die Fischtreppe ausgerechnet dort gebaut wurde, wo eigentlich im Wehr ein Feld für ein mögliches Wasserkraftwerk freigelassen worden war. Damals standen Vorwürfe im Raum, Vattenfall habe die Fischtreppe dort gebaut, um die Wasserkraftnutzung zu verhindern.
Beim anschließenden Fachgespräch in Geesthacht im ehemaligen Informationszentrum des Atomkraftwerkes Krümmel, wurde konstruktiv erörtert, welche Rahmenbedingungen es für eine wirtschaftliche und dem Naturschutz Rechnung tragende Wasserkraftnutzung braucht.
Vattenfall schätzt das Potential für die Wasserkraftnutzung an der Elbe bei Geesthacht auf Grund des geringen Gefälles auf vier Turbinen a 2 MWel, also 8 MW. In den sechziger Jahren hatte es Verhandlungen mit der DDR gegeben, um das Oberwasser höher aufzustauen: Anstatt 4,20 m Anstauhöhe heute, sollte damals auf 5,50 m angestaut werden, um das geplante Wasserkraftwerk wirtschaftlicher zu machen.
Die Vertreterin vom zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamt erläuterte, dass die Wehrklappen zwar bis zu 5,75 m aufstauen könnten, dies aber nicht zulässig wäre. Die Wehranlagen sind auch bereits sanierungsbedürftig und sollen durch eine Grundinstandsetzung für weitere 80-100 Jahre ertüchtigt werden. Da dies immer nur sektorweise durchgeführt werden kann, wird sich dies über einen längeren Zeitraum erstrecken.
Eventuell auch ein Zeitfenster, in dem der Bau eines neuen Wasserkraftwerkes günstiger werden könnte, denn wenn die Klimaziele von Paris ernst genommen werden, dann müssen auch in Geesthacht perspektivisch alle Haushalte CO2-frei mit Strom beheizt werden. Und die Wasserkraft kann dazu einen Teil beitragen. Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) gibt bereits eine feste Vergütung für Wasserkraftstrom und somit Planungssicherheit für Investoren.
Julia Verlinden dazu: „Wenn Vattenfall kein Interesse an einer Errichtung eines Laufwasserkraftwerks an der Elbe hat, wäre die Rückgabe der Wasserrechte von Vattenfall an den Bund eine Option, um anderen Interessenten die Möglichkeit zu eröffnen, hier zu investieren. Das könnten beispielsweise die Stadtwerke sein oder eine Bürgerenergiegenossenschaft.“
Vor 10 Jahren, als das neue Wasserkraftwerk an der Weser in Bremen geplant und gebaut wurde, sind dort neue entwickelte Spezialturbinen des Windanlagen-Herstellers Enercon eingesetzt worden und ein oft gelobtes Fischschutzkonzept realisiert worden.
Auch das Pumpspeicherwerk in Geesthacht war Thema des Termins: Während es früher die Verbrauchsspitzen für Hamburg deckte und nachts das Oberbecken wieder füllte, stand das Kraftwerk einige Jahre ganz still, weil der „Wasserpfennig“ den Betrieb unwirtschaftlich gemacht hat.
Erst nach der starken Reduzierung des Wasserpfennigs lohnte sich der Betrieb wieder, hatte aber seit 2008 mit steigenden Netznutzungsentgelten, KWK-Umlage und vor allem dem Preisverfall der Strompreise an der Börse zu kämpfen. Durch die Strom-Überproduktion in Deutschland ist vor allem die Preisdifferenz zwischen Strom zur Spitzenzeit und zur Schwachlastzeit drastisch von 69 Euro pro Mwh auf 28 Euro gesunken. Genau von dieser Spanne leben die Pumpspeicherkraftwerke, denn sie benötigen ja mehr Strom, um das Wasser den Berg hoch zu pumpen, als sie bei der späteren Nutzung wieder gewinnen können. Der Wirkungsgrad beträgt um die 80 Prozent. Hinzu kommt für deutsche Pumpspeicher-Betreiber das Problem, dass in Österreich und der Schweiz die Netznutzungsentgelte deutlich niedriger sind und es daher günstiger ist, diese Flexibilität für den Strommarkt dort einzukaufen.
Alle Teilnehmer waren sich einig, dass die Pumpspeicherkraftwerke im zukünftigen Energie-Mix der erneuerbaren Energien unverzichtbar sind, um die Schwankungen von Wind und Solarstrom auszugleichen. Julia Verlinden macht deutlich, dass die grüne Bundestagsfraktion sich für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Energiespeicher einsetzt.