Die Klima-Lücke schließen

26. Oktober 2017

Gastbeitrag für den Energieinformationsdienst Background des Berliner Tagesspiegels von Dr. Julia Verlinden, Bundestagsabgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen

Klimaschutz ist maßgeblich für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen, aber auch für die Modernisierung unseres Landes. Bisher überweist Deutschland noch bis zu 100 Milliarden Euro jährlich für den Import von Kohle, Öl und Gas ins Ausland – Mittel, die für regionale Wirtschaft und klimafreundliche Investitionen verloren sind. Mit Klimaschutz schaffen wir dagegen nachhaltige Perspektiven für viele Unternehmen und Beschäftigte. Das reicht vom Startup, das App-basierte Energiesparlösungen entwickelt, bis zum Großkonzern, der sich um Windenergie vom Meer kümmert.

So verwundert es nicht, dass sich alle Parteien, die gerade in Berlin zu Sondierungen zusammenkommen, längst zum Klimaschutz bekannt haben. „Wir […] bekräftigen unser Ziel, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 40 % gegenüber 1990 zu senken.“, heißt es schon im Koalitionsvertrag zwischen Union und FDP aus dem Jahr 2009.

Inzwischen sind acht Jahre vergangen, in Deutschland eine klimapolitisch verlorene Zeit. Die Treibhausgasemissionen sind zuletzt sogar wieder gestiegen. Und das, obwohl auch die schwarz-rote Bundesregierung sich stets zum Klimaschutz bekannt hat. Doch Beschwörungen allein reichen eben nicht aus. Die große Lücke zu den Klimaschutzzielen für 2020 ist schon länger absehbar und wurde auch von der letzten Regierung eingeräumt. Doch die notwendigen Konsequenzen fehlen bis heute.

Um die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit der deutschen Klimapolitik zu füllen, ist die Zeit knapp geworden. Umso größer müssen die Anstrengungen ausfallen. Ein möglicher Koalitionsvertrag gilt bis 2021 und wird Antworten geben müssen. Die selbst gesteckten Ziele aufzugeben, dürfte für Union und FDP keine Option sein – und das nicht nur wegen der eigenen Glaubwürdigkeit. Wer das 2020-Ziel nicht schafft, wird es umso schwerer haben, die verabredeten Ziele für 2030 und 2050 zu erreichen. Das schwarz-gelbe Klimaschutzziel für 2020 ist mithin eine gute gemeinsame Grundlage für die anstehenden Verhandlungen in Berlin.

Klar ist: Ohne den zügigen Einstieg in den Kohleausstieg ist das 2020-Ziel nicht mehr zu erreichen. Das bestreitet niemand. Doch selbst wenn bereits in den kommenden Jahren viele Kohlekraftwerke stillgelegt werden, wird das die Klimaschutz-Lücke nicht vollständig schließen. Deshalb müssen wir gleichzeitig den Ausbau der Erneuerbaren Energien erheblich beschleunigen. Das gilt auch für die Sektoren Wärme und Verkehr.

Weitere Bedingung für eine gelingende Energiewende ist mehr Energieeffizienz. Die Effizienzbranche steckt bereits in den Startlöchern. Viele Unternehmen wollen mit technischen Innovationen und intelligenten Dienstleistungen ihren Beitrag zu Energiewende und Klimaschutz leisten. Doch dafür brauchen sie geeignete Rahmenbedingungen. So würde z.B. eine verursachergerechte CO2-Bepreisung helfen, Erneuerbare Energien und Effizienztechnologien noch breiter in den Markt zu bringen. Im Zusammenspiel mit definierten Obergrenzen für den Energieverbrauch kann eine Dynamik entstehen, die den Ressourcenbedarf weiter vom Wohlstand entkoppelt.

Wichtig ist, die soziale Dimension nicht außer Acht zu lassen. Wer beispielsweise im Gebäudebereich vorankommen will, muss Klimaschutzpolitik mit kluger Mietenpolitik und ausgleichender Sozialpolitik flankieren. Auch dürfen Unternehmen ihre Verantwortung für Klimaschutz nicht einfach auf die Verbraucher*innen abwälzen.

Bei allen legitimen Debatten über einzelne Instrumente sollten wir keine überflüssigen Diskussionen mehr über Ziele führen, die bereits alle verhandelnden Parteien unterschrieben haben. Weltweit sind die Folgen der Klimakrise bereits empfindlich zu spüren. Wir müssen jetzt damit beginnen, sie zu begrenzen. Dass das nicht leicht ist, wissen alle. Diese Aufgabe weiter hinauszuzögern, macht es aber nicht einfacher. Im Gegenteil. Nur wenn wir jetzt die Weichen richtig stellen, können fatale Fehlinvestitionen vermieden werden. Effektive Maßnahmen, um die 2020-Ziele zu erreichen, werden so zur Messlatte für eine Klimaschutz-Koalition.